Zum Inhalt springen
22.12.2020

HEILIGE NACHT

Will man das Kind von Bethlehem finden, muss das Herz erst einmal heraustreten aus seiner Behaglichkeit und einen Stall aufsuchen.

Was man dort antrifft, ist wahrlich kein Weihnachts-Hochgefühl: weder Lichterglanz, noch Harfe und Saitenspiel, nirgendwo Glockenklang, keine romantischen Regungen - gewiss nichts für ein frierendes Gemüt, das nach Festtagsstimmung sucht.

Jetzt wird es gut sein, wenn man die Augen schließen und sich dem öffnen kann, was man im Dunkel des Stalles vorfindet. Das Geschehen ist schnell erfasst: Maria und Josef nahe beim Jesuskind, Hirten und Tiere um die Krippe und man selbst suchend dabei.

Ansonsten Stille,

heilige Stille,

Nacht und Stille -

wahrlich eine Stille Nacht, eine Heilige Nacht.

Warum aber ist das göttliche Mysterium so geräuschlos in Armut und Finsternis gehüllt? Warum muss man das Triviale eines Stalles akzeptieren können, wenn man das Kind finden und ihm Zuneigung schenken will? In Wahrheit ist doch dieses Ereignis raum- und zeitlos groß, voll Erhabenheit, angefüllt mit atemberaubendem Licht, randlosem Überfluss, Schönheit und überbordender Liebe . . . ? Worte können diese unendliche Glorie gar nicht einfangen. Und doch bedient sich Gottes Sohn nicht dieser Pracht und Herrlichkeit.

Stattdessen lässt sich der neugeborene König im Elend suchen. Dazu muss man sich erst einmal beherzt durch das Dunkel des Stalles tasten, bis man wenigstens den Atem des Kindes spüren kann. Dieser Atem aber ist Hingabe. Es ist Atem, der berührt, berührungslos berührt, tief anrührt und Gottes Anwesenheit in die Seele einzeichnet. Die Heilige Nacht tut sich einen Spalt auf, man kann nicht anders, man muss niederknien und anbeten.

Ob dieser Freude wird man jetzt mit den Engeln singen und alles in die Waagschale werfen wollen, was es an strahlendem Glanz, an Glockenklang, Harfe und Saitenspiel oder warmen Gefühlen gibt. Schließlich durfte das Herz dem Herrn begegnen und seine Herrlichkeit ahnen. Wer möchte das nicht feiern und die Weihnacht beglückt in die Festtagsstube holen!

Heilige Nacht,

Nacht der unendlichen Liebe,

dass uns dein Segen verbliebe!

Der Segen der Heiligen Nacht i s t uns verblieben: gnadenreich fortgeschrieben auf allen eucharistischen Altären, in allen Tabernakeln der Welt, in jeder Monstranz. Denn schon zu Bethlehem hat Maria ihr göttliches Kind in seine sakrale Existenz hineingeboren. Und, wie könnte es anders sein: Auch hier verbirgt sich seine Gegenwart, verschließt sich flüchtiger Suche und lässt sich nur tastend und liebend finden.

Zum Trost ist seine Mutter nahe dabei - bereit, uns an die Hand zu nehmen, wenn wir im Dunkel den Weg verstolpern. Hat sie ihr Kind in Bethlehem in eine harte Krippe betten müssen, ist sie jetzt geneigt, es der Armseligkeit unseres Herzens zu überlassen. Da aber sollten wir auch ihr Raum anbieten, denn sie wird ergänzen, was wir dem Kind an liebender Zuwendung schuldig bleiben. So lässt sich dann das FEST DER FESTE immer wieder neu besingen - immer und immer wieder, immerfort.

Kind von Bethlehem, lass dich finden!


Autorin: Barbara Wurm, Kirchort Heiligste Dreifaltigkeit