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15.05.2021

Corona wirkt wie ein Brennglas - ein Hintergrundbericht

Über 1.700 Beratungen im Jahr leistet das vierköpfige Team im Ökumenischen Arbeitslosenzentrum (ÖAZ) in der Nürnberger Krellerstraße - Tendenz steigend. Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind, oder Menschen, die gezwungen sind, ihr Einkommen aufstocken zu lassen, finden hier ein offenes Ohr. Egal, ob es um Ämtergänge, komplizierte Hartz IV –Bescheide, Kündigungen oder diverse Zuschüsse geht. Und der Bedarf ist hoch. Offene Sprechstunden und persönliche Gespräche sind derzeit nicht erlaubt, „dafür klingeln unsere Telefone durchgängig“, erzählt Mitarbeiterin Dagmar van der Heusen.

Seit Corona und den Lockdown-Regeln kommen immer mehr Menschen, die zuvor mit dem Thema „Arbeitslosigkeit“ kaum Berührungspunkte hatten. „Da blieben in ganzen Branchen plötzlich die Aufträge aus. Ausbildungsplätze können nicht angeboten werden, klassische Studentenjobs, beispielsweise in der Gastronomie, sind von heute auf morgen weggefallen“, berichtet Lizzy Kätzel, ebenfalls Mitarbeiterin im ÖAZ. „Ich erlebe da eine große Verunsicherung und Angst“, so die Sozialpädagogin. Gerade für diese Menschen sei die Hürde, zum Amt zu gehen, sehr hoch. „Oft kommen sie erst, wenn wirklich alle Ersparnisse weg sind und Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können.“

Familien trifft Corona besonders hart
Neben der rein finanziellen Notlage, erleben viele Arbeitslose ihre Situation als einsam und isoliert. Es ist keine freie, sondern leere Zeit“, bringt es van der Heusen auf den Punkt. „Keine Arbeit bedeutet oft auch keine Struktur im Alltag“. Man sei auf sich alleine gestellt. „Corona verstärkt dieses Problem“, ist sie überzeugt. Denn ohne Kontakte bliebe dann oft nicht mehr viel.
Besonders hart trifft Corona Familien mit Kindern, davon ist die Sozialpädagogin überzeugt. Da sei zum einen ein finanzielles Problem. „Durch die Schul- und Kindergartenschließungen fallen natürlich Dinge, wie kostenloses Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und ähnliches weg. Plötzlich steigen Strom und Heizkosten. Auch das spielt durchaus eine große Rolle, wenn man am Existenzminimum lebt“, erklärt sie. Schulkinder bräuchten einen Internetzugang, Computer und Drucker. „Wenn man das nicht einfach kaufen kann, muss das langwierig beantragt, teilweise gerichtlich erstritten werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kontaktmöglichkeiten zum Amt momentan sehr eingeschränkt sind. Das ist sehr zermürbend.“

Eine weitere Hürde sei die Wohnsituation, ergänzt Kätzel. „Sozial schwächere Familien leben oft in kleinen Wohnungen. Da gibt es keinen Garten, in dem die Kinder spielen können. Gleichzeitig sollen Kontakte und Spielplätze gemieden werden. Entlastung gibt es keine. Notbetreuung bekommt man nur, wenn man Arbeit hat. Das wird in beengten Verhältnissen zum großen Problem“, erklärt sie.

Weniger Druck, mehr Hoffnung
Mehr Pragmatismus, mehr Flexibilität, weniger Bürokratie, wünschen sich die beiden ÖAZ-Mitarbeiterinnen von der Politik. Viele Entscheidungen und gesetzliche Vorgaben gingen am realen Leben der Menschen vorbei, da sind sie sich einig. Außerdem seien die Sätze beispielsweise für Wohnungskosten einfach zu gering. „Die Mieten und Lebenshaltungskosten steigen stetig, die Leistungen aber kaum, das bringt viele Menschen in eine echte Notlage“, meint van der Heusen. Der Gang zum Amt sei auch oft mit Angst und Überforderung verbunden, weiß Lizzy Kätzel. „Viele sind sehr dankbar, dass das ÖAZ sie durch Anträge, Ämtergänge und Zuschüsse begleitet, denn die Vorgänge sind sehr komplex und schwer verständlich“.

Neben dem „Kerngeschäft“, wie es van der Heusen nennt, verfolgt das ÖÄZ einen ganzheitlichen Ansatz. „Leistungen vom Amt bedeuten für die Menschen einen starken Eingriff in ihre Privatsphäre. Ständig drohen Sanktionen und Kürzungen. Das setzt die Menschen stark unter Druck “. Daher böte das ÖAZ auch beispielsweise Orientierungstage oder verschiedene Coachings an. „Es geht darum, Menschen Hoffnung zu geben, ihnen zu helfen, Ideen und Perspektiven zu entwickeln und Mut zu geben, sich neu zu auszurichten, berichtet die Sozialpädagogin aus ihrer 30-jährigen Erfahrung. Auch gemeinsam gestaltete Gottesdienste oder Kräuterwanderungen stehen auf dem Programm. „Das Gefühl, isoliert zu sein und nicht am Leben teilhaben zu können, ist für viele Arbeitslose weit belastender als die finanzielle Not. Hier wollen wir einen kleinen Ausgleich schaffen.“

Kontakt zum ÖAZ: Krellerstraße 3, 90489 Nürnberg, Tel. 0911/ 3 76 54 – 350, info(at)oeaz-nuernberg(dot)de


Autorin: Tanja Haydn, Katholische Stadtkirche Nürnberg