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30.07.2020

Urlaub machen wie Gott am siebten Schöpfungstag

Die Sommerferien haben begonnen, vielleicht auch Ihr Urlaub. Was haben Sie vor? Wandern, Städte besichtigen, Schwimmen, Klettern, Tauchen, Segeln, Golf spielen, Töpfern…

Einer Umfrage zufolge stürzt sich jeder zweite in einen so genannten Aktivurlaub. Und spätestens beim Durchblättern von Reiseprospekten wird klar: die aktivste Zeit des Jahres beginnt genau jetzt, am ersten Urlaubstag. Wenn diese Aktivurlauber nach Hause kommen – so die Verheißungen der Reisebranche -, seien sie „nicht ausgepowert“, sondern fit für neue Herausforderungen. Die „aktive Erholung“ soll wesentlich länger anhalten als bei Urlaubern, die einfach nichts tun.

Nichts tun?

Aber gibt es das überhaupt noch? Nichts tun? Wenn schon die einzige dafür doch eigentlich prädestinierte Zeit des Jahres sich längst verwandelt hat in einen unüberschaubaren Dschungel von Aktivitäten? Nicht nur im Urlaub, noch viel mehr im Alltag scheint das Nichtstun verschwunden zu sein. Kaum vorstellbar, dass bei einer Terminabsprache einer der Beteiligten sagt, er könne an dem Tag nicht, und zwar deshalb, weil er da einfach mal nichts tun wolle. Das Nichtstun steht in Verruf. Wer nichts zu tun hat, ist ganz offensichtlich nicht wichtig, hat keinen Anteil am pulsierenden Leben. Dolcefarniente – dieses italienische Wort hatte einst einen süßen Beigeschmack. Heute aber wird das Nichtstun in der Regel nicht mehr als genussreich empfunden.

Im Ruhen vollenden

Doch könnte es sein, dass wir den Wert des Faulenzens und des Herumgammelns maßlos unterschätzen? Schließlich gibt es eine allerhöchste Legitimation für den Müßiggang. Er wird an höchst prominenter Stelle, nämlich gleich am Anfang der Bibel, sogar für heilig erklärt. Zunächst wird jedoch richtig viel gearbeitet, es wird geschöpft und erschaffen, was das Zeug hält. Sechs Tage lang zeigt sich Gott als ein absoluter Macher. Was könnte dynamischer und kreativer sein als die Erschaffung der Welt? Gott ist Schöpfergott durch und durch. – Wäre da nicht, ja, wäre da nicht der siebte Schöpfungstag.

Im Buch Genesis heißt es: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig.“ Gott segnet und heiligt also gerade diesen Tag, an dem er selbst faulenzt und sich dem süßen Nichtstun ohne Wenn und Aber hingibt. Nicht die Erschaffung des Menschen ist als Krone der Schöpfung zu begreifen, vielmehr kommt erst im Ruhen Gottes die Schöpfung zur Vollendung.

Die Welt fühlen

Nur: was macht Gott eigentlich, wenn er nichts macht? Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann stellt sich das folgendermaßen vor: „Am Sabbat aber beginnt der ruhende Gott, seine Geschöpfe zu ‚erfahren‘. Der angesichts seiner Schöpfung ruhende Gott beherrscht die Welt an diesem Tage nicht, sondern er ‚fühlt‘ die Welt.“. Die Welt fühlen, das heißt, dieser Gott macht sich an diesem Tag, so Moltmann, „ganz empfänglich für das Glück, das Leid und den Lobpreis seiner Geschöpfe“. Was für ein Glück also für uns Menschen, dass es diesen Tag gibt!

Doch in der Tradition wurde dieses viel versprechende Bild vom faulenzenden und fühlenden Gott vernachlässigt. Der schaffende und dynamische Gott beherrscht die Szenerie. Das hat weit reichende Folgen. Denn der Mensch ist nicht nur Geschöpf, sondern auch Ebenbild Gottes. Wenn aber Gott nur durch sein Tätigsein definiert wird, so wird auch der Sinn unseres Daseins vor allem im Arbeiten gesehen. Doch wer ohne Unterlass rackert, dessen Werk bleibt letztlich unvollendet. Wer die Ruhe des siebten Schöpfungstages unterschlägt und sich über sie hinwegsetzt – das zeigt unsere Burn-out-Gesellschaft in beängstigendem Ausmaß – der wird irgendwann mit seiner totalen Erschöpfung konfrontiert.

Ich wünsche Ihnen schöne Ferien. Machen Sie doch mal Urlaub vom Aktivurlaub, Urlaub wie Gott am siebten Schöpfungstag: Einfach nur da liegen, in den Himmel schauen und die Welt fühlen.


Autorin: Dr. Katharina Klöcker - In: pfarrbriefservice.de