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05.04.2020

Palmsonntag 2020

9:30 Uhr. Sonntag. Palmsonntag. Ich laufe los, Joggen ist angesagt. Joggen statt Palmprozession und Passion. Am Vorabend hatten wir ein Experiment gewagt, das mich noch immer beschäftigt.

Ein interaktiver Gottesdienst in einer Konferenzplattform. Welch ein Segen der Technik in diesen und für diese Zeiten. Ich bin immer noch beeindruckt, dass sich fast 90 Teilnehmer zugeschalten hatten, vor vielen Geräten saßen zwei oder mehr Personen und wenn man das hochrechnet… Wahnsinn! Gemeinschaft in Zeiten des Virus! Familien mit Kindern, Paare, ältere Menschen, Priester. Alle waren eingeloggt. Vorabend des Palmsonntag 2020. Ganz anders.

Das Wetter ist herrlich und ich laufe durch den Wald in Richtung Stadion. Kein Auto ist mir bisher begegnet, nur Vogelgezwitscher ist zu hören, aber das ordentlich, direkt enthusiastisch! Jetzt können sie mal richtig auftrumpfen! Ich denke an das Lied, das wir für die Fastenzeit ausgesucht hatten, „Herr, dich loben die Geschöpfe“, eine Vertonung des Sonnengesangs des Hl. Franziskus. „Alle Schöpfung lobt den Herrn“. Der Schöpfer oder die Schöpfung oder wer auch immer, ich möchte ihm das eigentlich nicht anlasten, hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gemeinsam in der Kirche zu singen, ist nicht mehr erlaubt. Das wunderbare Gloria am Gründonnerstag, mit dem die Orgel nochmal so richtig aufjubeln darf, um dann zu verstummen, wird zwar nicht entfallen, aber virtuell wohl auch nicht ganz so beeindruckend sein. Die Leere, die danach eintritt, die Stille, entspricht wohl eher der aktuellen Stimmung.

Am Silbersee sind die ersten Ausflügler unterwegs und als ich mich den Silberbuck hinaufquäle beginnen die Kirchenglocken zu läuten. Katholische, evangelische, ökumenische. In der ganzen Stadt. Immer sonntags um 10 Uhr. Oben höre ich sie aus allen Richtungen. Und das Vogelgezwitscher verstummt tatsächlich. Kirchliche Autorität!? ;-)) Die Stadt liegt vor mir, Langwasser hinter mir. „Aneinander denken, miteinander beten und füreinander da sein!“ – so das Motto des ökumenischen Läutens. Dann hoffe ich doch sehr, dass die schönen Zeichen der Solidarität, die vielen Initiativen die Krise überdauern.

Es geht bergab (die Joggingstrecke meine ich), die Glocken verstummen und die Vögel nehmen ihren Gesang wieder auf. Ein kurzes Innehalten ab und zu ist nicht schlecht. Im Moment erzwungen und gefühlt gar nicht kurz. Entscheidend ist, wie es danach weitergeht. Volle Kraft voraus, dieselbe Richtung wie vorher? Oder in einer anderen, korrigierten Richtung mit wohldosierter Kraft!

Am Ende des eingangs erwähnten Liedes heißt es: „Lob sei, Gott, dir auch am Ende durch den guten Bruder Tod, dem kein Leib entgehen kann. Alle Schöpfung lobt den Herrn.“ Mit diesem Gedanken - nicht ganz hinten - im Hinterkopf ändert sich vielleicht manche Zielsetzung meines Lebens.

In diesem Sinne wünsche ich eine sinnerfüllte Karwoche.


 

Autorin

Martina Baum, 57 Jahre alt, verheiratet, 3 erwachsene Kinder und Schwiegerkinder, 5 Enkel.
Hobbys: Musik, Lesen, Radeln
Ehrenamtlich tätig im Kirchortsrat St. Maximilian Kolbe, Liturgieausschuss, Projektchöre für Kinder und Erwachsene u.a.m.