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15.08.2021

Seelsorge pur - Pfarrer Müllers erste Erfahrungen als Krankenhausseelsorger

Pfarrer Stephan Müller - vormals Leitender Pfarrer im Pfarrverband Nürnberg-Langwasser, heute Seelsorger am Klinikum Nürnberg Nord

Seit Dezember vergangenen Jahres ist Stephan Müller Krankenhauspfarrer im Klinikum Nord. Heute sagt er, dass der Wechsel vom Leitenden Pfarrer im Pfarrverband Nürnberg Langwasser in die Krankenhausseelsorge die richtige Entscheidung war. Der Pfarrerberuf hat für ihn stets den Schwerpunkt Seelsorge beinhaltet, doch musste er gerade während seiner letzten Tätigkeit erleben, dass für unmittelbare Seelsorge immer weniger Zeit blieb. Im Krankenhaus und insbesondere auf der Intensivstation ist diese sehr wichtig - gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. „Seelsorge ist sehr gefragt“, sagt Pfarrer Müller. Er sieht sich am richtigen Ort.

Der Kontakt von Mensch zu Mensch ist hier groß. Wegen Covid können keine Besuche stattfinden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege sind physisch und psychisch oft am Ende; es bleibt wenig Zeit für den einzelnen Patienten. Hier kann Klinikseelsorge wirksam helfen. „Wir können Räume öffnen“, so Müller, die die Menschen nutzen, um sich und ihre Situation zur Sprache zu bringen. Der Seelsorger könne transzendentale Zusammenhänge deutlich machen, auch hin zum christlichen Gott, doch gelte dies unabhängig von einer Religionszugehörigkeit.

Sterben oder Überleben – darum geht es auf der Intensivstation. In der dritten Welle habe sich das Verhältnis umgekehrt; d.h. jetzt sterben mehr Menschen, berichtet Müller. Die Seelsorger werden gebraucht. Sie halten Kontakt zu den Angehörigen der Kranken; sie ermöglichen Videotelephonie, begleiten und betreuen vor Ort, entlasten die Pflege. Sie kümmern sich um ganz praktische Dinge wie Helfen beim Ankleiden und Beachten von Patientenverfügungen – und sind da, um mit Patienten und Angehörigen zu reden, zu beten und zu singen; sie spenden die Krankensalbung, begleiten ins Sterben. Wenn ein Leben ende, sei dies ein heiliger Moment, sagt der Pfarrer. Ein Mensch mache sich auf aus dieser in eine andere Realität – wie immer diese aussehen mag. In dieser Abschiedsphase regt er an nachzudenken, wofür im Leben man dankbar oder worauf stolz sein kann, wo Liebe gelebt wurde, und wofür dem, der geht, zu danken sei. Barmherzigkeit spiele eine wichtige Rolle.

 

Gott im Kranken begegnen

Im kranken Bruder und der kranken Schwester lasse sich das Angesicht des leidenden Gottessohnes erkennen, meint der Seelsorger – nimmt Bezug auf die Forderung von Papst Franziskus, die Kirche müsse an die Ränder gehen; in der Begegnung mit Schwerkranken, an der Schwelle vom Leben zum Tod, erlebt er einen solchen Grenzpunkt – insbesondere auch bei Komapatienten. Wer glaubt, Gott habe alles geschaffen, könne ihm in allem begegnen, auch und gerade in schwerkranken Menschen. Diese Sichtweise helfe ihm persönlich, so Müller.

In den wenigen Monaten, in denen der Pfarrer im Klinikum diesen Dienst tut, hat er schon viel erlebt – auch tragische Fälle waren dabei. Jemand hat zu ihm einmal gesagt, ein Klinikseelsorger müsse damit rechnen, dass beim Tod eines von ihm betreuten Patienten ein Stück von ihm selbst mit sterbe. Seelsorge funktioniert nur mit Empathie, mit Sensibilität für die Bedürfnisse des Anderen, der Fähigkeit sich in dessen Emotionen und Gedanken hineinzufühlen. Das führt andererseits dazu, dass Abschalten am Abend schwerfallen kann. Pfarrer Stephan Müller achtet stets auf Regeneration. Zu Fuß zur Arbeit zu gehen hat sich für ihn als gute Möglichkeit erwiesen, den Kopf frei zu bekommen und durchzuschnaufen.

 

Heilsamer Schritt zurück

Die Tätigkeit, die Stephan Müller für sich gewählt hat, unterscheidet sich fundamental von der des Leitenden Pfarrers, die er vorher innehatte. Jetzt geht es nur und ausschließlich um den Dienst am Menschen - Seelsorge pur. Karrieredenken - ein Gesichtspunkt, der auch in der Kirche keinen geringen Stellenwert hat, spielt keine Rolle. Müller war nicht länger bereit, einen Job zu machen, der ihn zu viel Kraft kostete und ihm für Wesentliches zu wenig Zeit ließ. Draußen sei es oft nicht verständlich, wenn man einen Schritt zurückgehe, gibt er zu bedenken, doch entschieden sich immer mehr Kollegen dafür – weil der Preis, den man zahle, zu hoch sei.

Pfarrer Stephan Müller wird fünf Jahre lang als Krankenhausseelsorger im Nordklinikum Nürnberg tätig sein. Das ökumenische Seelsorgeteam dort besteht derzeit aus dreizehn katholischen und evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Müller ist der einzige katholische Pfarrer. Da diese Stelle, die neu besetzt werden musste, im Bereich des Erzbistums Bamberg liegt, haben Bamberg und Eichstätt eine Vereinbarung getroffen, um die Ernennung zu ermöglichen. Müller bleibt aber Priester der Diözese Eichstätt.


Autorin: Ulrike Pilz-Dertwinkel