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01.11.2021

„… geheiligt werde dein Name!“ - Gedanken zu Allerheiligen

„Aller-Heiligen“, ein Wort, randvoll mit Melancholie, dunkler Nähe zu Aller-Seelen, Chrysanthemen, Grablichtern und Novembertraurigkeit. Das Fest, nicht nur Sammeldatum für alle Heiligen im Kalender des Kirchenjahres, sondern auch ein Tag, der auf alle Menschen aufmerksam machen möchte, die nicht im Kalender stehen, die Ungenannten, Vergessenen und Verkannten, auf alle Menschen, deren Leben mit dazu beigetragen hat, mit dazu beiträgt oder beitragen wird, unsere Welt wieder ein Stück „heiler“ zu machen.

„Heilig“ hat etwas mit „Heil“ zu tun, aber am Heil klebt viel Unheil. „Heil Cäsar“, „Heil Guru“, „Heilige Inquisition“, „Heil Hitler“, „Heiliger Krieg“... mein Gott, welch heillose Verwirrung! Wo wir hinschauen: Unheiliges hinter uns, um uns, in uns. Und dann gibt es noch die „komischen Heiligen“, die „Scheinheiligen“ und solche, die sich ihren Heiligenschein selber überstülpen. Und trotzdem, das Wort „heilig“ senkt seine Wurzeln bis ins Mark unserer unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte: „heil“ zu sein, ganz, ungebrochen, vollständig, im Lot, im Gleichklang mit sich, mit der Schöpfung, dem Schöpfer, dem All, geheilt zu sein von allem Schmerz und jeglicher Not.

Wir denken heute vielleicht an einen ganz speziellen Heiligen, eine ganz spezielle Heilige, der oder die für unser Leben eine ganz besondere Bedeutung hat. Wir denken vielleicht an jemanden, der unser Leben ganz besonders beschenkt, bereichert, stützt, beschützt und heilsam macht, der uns immer wieder aufbaut, immer hinter uns steht. Das „Heilige“ begleitet uns vielleicht jeden Tag aufs Neue, immer dann, wenn wir beten: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name...!“ Wer sonst wird uns abholen dort, wo wir immer noch stehen mit unseren unheiligen Strukturen und heillosen Erfahrungen?

 

Quelle der Heilung in Freiheit annehmen

Mathias Claudius sagte einmal: „Dem Menschen muss etwas wahr und heilig sein! Und das muss nicht in seinen Händen und seiner Gewalt sein; sonst ist auf ihn kein Verlass, weder für andere noch für ihn selbst.“ Heilig, ganz im Heil wird jeder Mensch nur dann erst leben können, wenn er die Quelle dieser Heilung in Freiheit annimmt und sie so in sich einzusenken vermag, dass sie wie ein tiefer Brunnen wird, unausschöpflich. In dieser Tiefe liegt unsere Kraft und Sicherheit begründet, unseren ureigenen Lebensweg gegen alle Widerstände gehen zu dürfen. Die „Nachahmung“ anderer wird dabei überflüssig. Gestärkt mit dem Wasser aus dieser Quelle werden wir selber zum Sauerteig, zum Salz, zum Licht der Welt, zu „Heiligen“.  Heilig ist mir all das, was getan werden muss, weil Gott es so will. Nur ein Mensch, der sich selbst zu seinem Gott macht, dem kann nichts „heilig“ sein. Auch dem berühmten Zweck, dem alle Mittel heilig sind, ist ebenfalls nichts heilig. Wir fühlen uns sehr wohl bei Menschen, denen wirklich etwas „heilig“ ist.


Autor: Stanislaus Klemm, In: Pfarrbriefservice.de