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24.03.2021

Was Religionsunterricht zur Bildung und Selbst-Bestimmung Jugendlicher beitragen kann

Thomas Ohlwerter, Leiter des Schulreferats der Katholischen Stadtkirche Nürnberg. Foto: Stefan Minx

Thomas Ohlwerter, Leiter des Schulreferats der Katholischen Stadtkirche Nürnberg, hat großes Interesse an allem, was neu und innovativ ist. „Was mich verstärkt umtreibt, ist die Zukunftstauglichkeit des Religionsunterrichts.“

Es sei absolut richtig, dass Corona wie ein Brennglas wirke und überkommene Strukturen sichtbar mache, so der 60-Jährige. „Seit Langem beschäftigt mich mit vielen Kolleginnen und Kollegen die Frage: Welche religiöse Bildung brauchen Schüler heute? Und in welcher Gestalt ist der Religionsunterricht zeitgemäß?“  Thomas Ohlwerter hält eine engere Zusammenarbeit der beiden christlichen Kirchen im Religionsunterricht für überfällig. Er fordert: „Hier braucht es aber eine klaren Willen der Kirchenleitungen. An der Basis haben wir bereits viel Zusammenarbeit realisiert.“ Der Leiter des Schulreferats der Katholischen Stadtkirche Nürnberg ist zuständig für den Religionsunterricht an Grund-, Mittel- und Förderschulen in Nürnberg und aktuell 60 kirchliche Religionslehrkräfte; außerdem ist er Ansprechpartner für die staatlichen Religionslehrerinnen und -lehrer.  


Andere Gesetzmäßigkeiten in der digitalen Welt
Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es ein ständiges Auf und Ab zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling. Für den Schulrat bedeutet das: Feilen an weiteren Angeboten, um den Religionsunterricht digital zukunftsfähig zu gestalten. Schon lang interessiert sich der engagierte langjährige Religionslehrer für neue digitale Formate. Podcastaktionen mit Schülerinnen und Schülern und Schulungen an Tablets im „Forum Reli digital“ bietet er seit April 2020 in der Mediathek im Haus der Katholischen Stadtkirche an. „Neben Rechnen, Schreiben und Lesen ist der Umgang mit dem Digitalen die vierte Kulturtechnik, die wir aktuell lernen müssen.“ Die Kirche müsse begreifen, so Ohlwerter, dass es nicht genüge, eine analoge Veranstaltung digital umzuwandeln. „Denn in der digitalen Welt herrschen andere Gesetzmäßigkeiten. Kollaboration und Partizipation, Zusammenarbeit und Teilhabe ist viel stärker gewichtet, ebenso die Subjektorientierung.“ Was damit gemeint sei? „Für den Bereich der religiösen Bildung will ich das mal so übersetzen: Kinder und Jugendliche sind nicht mehr als Objekte einer religiösen Unterweisung zu betrachten, sondern es gilt sie als Subjekte ernst zu nehmen. Ihnen muss der Glaube nicht nur nahegebracht werden, sondern man traut ihnen zu, selbstständige Antworten auf die Zuwendung Gottes zu geben.“
Starke Worte, die aber auch verlangen, die jungen Menschen fit zu machen im Glauben, in der ganzen religiösen Bandbreite und vor allem im Ausbilden einer eigenen und sprachfähigen Religiosität. „Bereits lange vor Corona hatten wir Veranstaltungen und Arbeitskreise zum Thema Umgang mit der multireligiösen Situation an Schulen. Mit Corona ist dann der Ernstfall eingetreten und in der Praxis sahen sich Religionslehrkräfte auf einmal Ethik-Schülern oder muslimischen Schülern gegenüber.“ Ohlwerter weiter: Die religiöse Sprachfähigkeit einer säkularen wie multireligiösen Gesellschaft gegenüber sei einem Stresstest unterzogen worden.

Nicht alles laufe glatt
So sehr er auch die Kinder und Jugendlichen im Blick hat, ist er doch zuerst der Ansprechpartner für Religionslehrkräfte. Mit ihnen gemeinsam überlegt er zukunftsfähige Modelle. Zwar seien dieser Austausch und gemeinsame Sitzungen komplett in den digitalen Modus gewechselt, wodurch manche Dienstfahrten überflüssig geworden sind, aber die gewonnene Zeit ginge für die Einarbeitung in neue digitale Plattformen und Lernarrangements wieder drauf. In Nürnberg lobt er den digitalen Ausbau an Schulen. „Der große Vorteil ist, dass die Stadt Nürnberg alle Schulen und Lehrkräfte in eine stadtweite IT-Infrastruktur einbindet. Mir war es von Anfang an sehr wichtig, meinen kirchlichen Lehrkräften diesen Zugang zu ermöglichen und sie bei Bedarf durch eigene Angebote zu schulen.“
Der Lehrermangel sei ein großes Problem, so Thomas Ohlwerter. Die Schulleitungen brauchten dringend Personal für die Organisation des Unterrichtsbetriebes und Religionslehrkräfte würden häufig in der Notbetreuung eingesetzt. Wenn Wechselunterricht stattfindet, sollten die Reli-Lehrkräfte aber wegen des Infektionsgeschehens nicht an allen ihren Schulen eingesetzt werden. Außerdem achtet Ohlwerter darauf, dass der Religionsunterricht „nicht hinten runterfällt oder in einem allgemeinen Werteunterricht aufgeht“.

Christentum und Medien
„Sobald mehr ins Bewusstsein rückt, dass Religionen immer schon medial agiert haben, und Gottes-Bilder sowie Heilige Schriften nur medientheoretisch zu verstehen sind, wird die religiöse Bildung einen Vitalitätsschub bekommen“, ist sich der Schulrat sicher. „Man kann diese religiöse Aktivität ja heute schon in Science-Fiktion-Erzählungen und Computerspielen erleben, nur werden sie von den Akteuren und Protagonisten der tradierten religiösen Bildungsarbeit noch viel zu wenig rezipiert und für die religiösen Bildungsprozesse fruchtbar gemacht.“


Quelle: Katholische Stadtkirche Nürnberg