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03.03.2020

Fastenzeit - Sieben Wochen anders leben

Am Anfang steht das Wörtchen eigentlich. Eigentlich wäre es gut, ein bisschen weniger Alkohol zu trinken. Anstelle der Vorabendserien die Laufschuhe hervorzuholen...

Und statt darüber zu klagen, dass so viele Kontakte eingeschlafen sind, mal wieder zum Telefonhörer zu greifen.

Eigentlich wäre es schön, ein bisschen anders zu leben. Etwas freier, leichter. Mir vergegenwärtigen, was wirklich wichtig ist. Die kleinen und großen Süchte aufspüren, sie wieder in Sehnsüchte verwandeln. Und diese Sehnsüchte nicht eilig stillen mit Schokoladenplätzchen, sondern sie aushalten, manchmal auch schmerzlich, und nach dem suchen, was wirklich satt macht.

Gegenstimmen

Sofort melden sich verlässliche Gegenstimmen zu Wort: So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht, flüstert die Bequemlichkeit. Und wenn du es nicht schaffst?, bangt die Angst. Es gibt wichtigere Dinge, argumentiert die Vernunft, als ein bisschen weniger Schokolade zu essen. Nett wäre doch mal wieder ein gemütlicher Kneipenabend, lockt die Verführung. Und der Realismus unkt, dass das ja alles doch nichts bringen wird. Wie oft habe ich schon versucht, mein Leben zu ändern? Habe Vorsätze gefasst, Ziele gesetzt und bin doch bei der kleinsten Versuchung umgefallen?

Ausprobieren

„Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben“, setzt Christian Morgenstern dagegen. „Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.“

Vielleicht muss es ja nicht gleich ein neues Leben werden, sondern könnte ein Versuch sein: ein überschaubarer Zeitraum, nicht gleich für immer. Ein paar Wochen ausprobieren, wie es wäre, dieses andere Leben. Zusammen mit anderen, damit man weiß, man kämpft nicht allein.

Fastenzeit als Versuchsfeld

Die Fastenzeit ist so ein Versuchsfeld. Die sieben Wochen von Aschermittwoch bis Ostern können eine Auszeit sein, in der man sich ausprobieren, in der man versagen und wieder neu anfangen, in der man über sich hinauswachsen kann. Früher gab es für diese Zeit feste Regeln: Kein Wein durfte getrunken, kein Fleisch gegessen werden, später auch weder Milch, Käse noch Eier. Es gab keine Tanzveranstaltungen, keine Hochzeiten. Alles, was von Ostern wegführte, sollte gemieden werden. Alles, was einen gebunden hielt, sollte man loslassen, um frei und nüchtern die Auferstehung Jesu feiern zu können. Seine Sinne wach und geschärft auf das neue, das andere Leben richten können, das aus dem Scheitern, dem Tod wächst. Es ging früher und geht auch heute nicht darum, bestimmte Lebensmittel zu verdammen. „Alles ist mir erlaubt“, schreibt Paulus im Neuen Testament, „aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.“

Ehrlich sein

Wo stehe ich zwischen Freiheit und Abhängigkeit? Selbstverständlich darf ich Schokolade essen, so viel ich mag. Aber kann ich aufhören, wenn ich satt bin? Und natürlich verbietet mir keiner, Wein zu trinken. Aber wie schwer fällt es mir, nach einem Glas aufzuhören?

Das rechte Maß ist entscheidend und die Frage, ob die Dinge mich beherrschen oder ich sie. Beim Fasten geht es nicht darum, sich selbst weh zu tun. Aber es ist wichtig, ehrlich zu sein, sich einzugestehen, wo das eigene Leben nicht mehr wahrhaftig ist, wo ich mich entfernt habe von mir, meinem Körper und meiner Seele, von anderen und von Gott.

Vertrauen lernen

Das ist nicht leicht. Gefühle kommen hoch, die man lieber wegschieben wollte: Klein und unvermögend kommt man sich mitunter vor, einsam oder ohnmächtig. Verlockend ist es dann, Ersatz und Trost in Form von Süßem oder Alkoholischem zu finden, sich ablenken zu lassen von Fernsehen oder Internet. Vor allem gilt es, die eigene Bedürftigkeit auszuhalten, sich einzugestehen, dass ich mir nicht alles selbst geben, mich nicht selbst erfüllen kann. Fasten bedeutet, Vertrauen zu lernen: Mein Durst, meine Bedürfnisse, meine Sehnsüchte werden auf andere Weise gestillt werden. Leere wagen und der Verheißung Jesu vertrauen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“

Persönliche Entscheidung

Niemand kann mir vorschreiben, worauf ich verzichten, was ich in meinem Leben ändern soll. Fasten ist immer eine persönliche Entscheidung. Wie ich faste, worauf ich verzichten möchte, liegt ganz bei mir. Für manche muss es auch keine Abstinenz sein: Fasten kann umgekehrt bedeuten, sich selbst etwas Gutes zu tun, dem eigenen Leben mehr Sinn zu geben. Zum Beispiel, indem man sieben Wochen lang jeden Morgen einen Psalm liest. Oder ein Gebet spricht. Oder einfach nur dasitzt und sich und seine Umgebung bewusst wahrnimmt. Wer sich einsam fühlt, nimmt sich etwa vor, einmal in der Woche jemanden einzuladen. Und wer sich ausgebrannt und leer fühlt, verabredet Saunaabende.

„7 Wochen anders leben“ ist mehr, als Alkohol und Schokolade wegzulassen und mit sehnsüchtigem Blick auf die Osternacht zu schielen, weil man dann wieder „darf“. Es bedeutet, sich dem Leben zu stellen, die leeren Hände hinzuhalten und darauf zu vertrauen, dass Gott sie füllt.


Autorin: Susanne Niemeyer, www.anderezeiten.de