Zum Inhalt springen
28.03.2020

Freezed – gefroren!

Kennen Sie den Effekt beim Theaterspielen? Mitten in einer lebhaften Szene gefrieren plötzlich alle Akteure ein! Mitten in der Bewegung! Angehalten, erstarrt, eingefroren.

Nach einigen Sekunden bewegen sich alle wieder, treten aus der Szene heraus und eine ganz neue Handlung entwickelt sich bis zum erneuten Freezing. Das kann ein toller Effekt sein. Im Theater!

Im echten Leben fühle ich mich gerade auch ein bisschen so. Das öffentliche Leben ist erstarrt, weitgehend. Keine Kinder mehr, die früh unten am Weg vorbeirollern und dabei lustig miteinander plaudern, keine Väter, die die, für sie viel zu kleinen, Büchertaschen am Rücken hinterhertragen. Es bleibt leer. Abgesehen von den Hundebesitzern, die ihre Runden drehen und der wachsenden Zahl von Joggerinnen und Joggern. Und all das wegen des bösen, kleinen, neuartigen Virus mit dem gar nicht hässlichen Namen Corona!

Ich finde, nach und nach friert immer mehr ein. Wenn ich unterwegs bin und mir Menschen entgegenkommen, wird ganz automatisch an den Rand des Weges ausgewichen, und auch die Blicke weichen aus. Als könnte ein Blick in die Augen des anderen oder gar ein Lächeln ein Virus übertragen!

Wenn ich die täglichen Nachrichten anschaue oder anhöre, erstarre ich auch und ich fühle Angst in mir hochsteigen. Bilder aus Krankenhäusern, Patienten auf den Intensivstationen. Zugegebenermaßen nie ein schöner Anblick und in dieser Zeit noch weniger, weil sie eine Ratlosigkeit vermitteln, eine Furcht vor dem, was laut den Prognosen noch auf uns zukommen soll.

Am Freitag um 18 Uhr haben wir das Gebet von Papst Franziskus angeschaut. Ein leerer Petersplatz, ein menschenleerer Petersdom, die schweren Flügeltüren weit geöffnet. Ein Papst, der angesichts dieser Größe ganz klein wirkt. Ein Mann, der große Worte findet, der bescheiden für die Welt mit ihren Menschen betet und sie unter Gottes Schutz und Segen stellt. Wenn ich Gott wäre – da würde ich schon auf ihn hören. Mir gibt die Frage zu denken, die der Papst immer wieder stellt: „Warum habt ihr solche Angst?“ Die Frage, die Jesus seinen Jüngern stellt, als sie ihn panisch wecken wegen des Sturms auf dem See. Und er schläft seelenruhig! Schläft Gott? Sieht er nicht den Sturm, der gerade die Welt zerwirbelt, die wir kennen und die uns Sicherheit gegeben hat? Was denkt er sich denn? „Not lehrt beten! Die lass ich noch ein bisschen zappeln!“? Denkt Gott so? So menschlich? Immerhin war er ganz Mensch… Ich kenne Gottes Gedanken nicht. Früher hätte man in dieser Situation sicher von einer Strafe Gottes gesprochen. Turmbau zu Babel – die Menschen fühlen sich allmächtig, da bekommen sie ihre Grenzen aufgezeigt. Sintflut – die Menschen haben sich von Gott abgewandt und er lässt ihre Welt untergehen. Aber er hat auch versprochen, das nicht wieder zu tun.

Vermutlich sind solche Überlegungen müßig – aber „Warum habt ihr solche Angst?“ Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen, die ich mir stelle: Dass unsere Wirtschaft irreparablen Schaden erleidet? Dass meine bequeme Situation, in der ich mir keine Sorgen machen muss, sich ändert? Dass Betriebe schließen, dass das Geld nicht reicht, um allen über die Runden zu helfen? Dass Menschen, die ich kenne, sich mit der Krankheit anstecken, das Virus plötzlich ganz nah kommt und auch mein Leben bedroht? Sterben möchte ich jetzt tatsächlich nicht… da bin ich noch nicht bereit!

Ein bisschen frage ich mich, wo unser gemeinsamer Glaube ist. Widerstandslos nehmen wir hin, dass es keine gemeinsamen Gottesdienste mehr gibt. In der Kirche wäre genug Platz, um Abstand zu halten. Im Edeka kommen wir uns definitiv viel näher! Warum treffen wir uns nicht und singen und beten – es gibt andere Formen als die Eucharistiefeier. Die Gemeinschaft fehlt mir – allein daheim habe ich keine Lust auf einen Gottesdienst.

Ich werde in den kommenden Tagen immer wieder mal an die Orgel gehen und Lieder spielen. Vielleicht kommt jemand zufällig dazu und singt mit. Vielleicht entsteht etwas. Das würde mir gefallen. Ich glaube, das wäre ein wunderbares Hoffnungszeichen.

Und ich erwarte den Augenblick, da die eingefrorene Welt wieder auftaut und weiterlebt und ich bin gespannt, ob es anders sein wird als vorher.

Das ganze Gebet von Papst Franziskus gibt’s hier. Es lohnt sich, es zu lesen.


 

Autorin

Martina Baum, 57 Jahre alt, verheiratet, 3 erwachsene Kinder und Schwiegerkinder, 5 Enkel.
Hobbys: Musik, Lesen, Radeln
Ehrenamtlich tätig im Kirchortsrat St. Maximilian Kolbe, Liturgieausschuss, Projektchöre für Kinder und Erwachsene u.a.m.